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Freiburgs Geschichte in Zitaten

Konrad Karl Freiherr von und zu Andlaw-Birseck
 (1766-1839)
Ein Diplomat in turbulenter Zeit

 

Das Erbrittergeschlechts derer von Andlaw

 

Die Ahnenburg Hohen-Andlau des Erbrittergeschlechts derer von Andlaw* erhebt sich in den Vogesen südlich von Straßburg am Eingang des Andlauer Thales unweit des Städtchen Barr am Fuße des Odilienberges (Mont St. Odile). Mehrere Linien der Reichsfreiherren waren im Laufe der Jahrhunderte vornehmlich im Elsass, im Breisgau und im Baselbiet tätig. Einer der bekanntesten ist Peter von Andlaw, der seit 1460 als Professor der Rechte und Vizekanzler an der Universität Basel wirkte und daneben noch die Posten eines Propst zu Lauterbach und eines Kanonikus zu Colmar bekleidete.

*Die geläufige Schreibweise des Namens ist Andlaw, wird jedoch Andlau ausgesprochen und deshalb manchmal auch so geschrieben. Im 18. Jahrhundert werden W und U häufig nebeneinander verwendet, wie es auch die Schreibweise Breisgaw neben Breisgau belegt. Entsprechend der französischen Aussprache des Namens Andlau findet sich in einigen deutschen Texten sogar die Schreibung Andlo.

 

Karl Friedrich Konrad von Andlaw erblickt am 23. Dezember 1766 als vierter Sohn des fürstbischöflich baselschen Landvogts des Bezirks Birseck Konrad von Andlaw und seiner Frau Balbina von Staal das Licht der Welt. Es ist die Zeit nach dem Siebenjährigen Krieg, in der die Völker Europas einen gesellschaftlichen Aufschwung erfahren, in dem, wie ein Zeitgenosse berichtet,  ... wenigstens einen Teil teutscher Fürsten ... in der Belebung des Kunstfleißes, in der Aufmunterung des Ackerbaus, in der Verbesserung der Staatsökonomie rühmlich wetteifern: Länder wie Baden, wie Dessau sind wahre Gärten Gottes, gepflanzt von Fürstenhänden.  

 

So wächst der junge Konrad in behüteten Verhältnissen auf der Burg der Freiherrn von und zu Birseck auf, die sich noch heute oberhalb Arlesheim südlich von Basel erhebt. Als junger Mann studiert er die Rechte in Freiburg und schließt seine juristischen Studien in Würzburg ab. Daneben und danach bildet er sich vor allem sprachlich auf seinen Reisen nach Frankreich und England weiter. Schließlich tritt er wie sein Vater in den Hof- und Zivildienst des Bischofs von Basel. Mit diesem Schritt steht Konrad wie auch seine Geschwister ganz in der Tradition der Reichsritter von und zu Andlaw-Birseck. Zwei seiner Brüder sind Domherren in Basel und Konstanz, ein weiterer ist Ritter des Malteserordens und ein vierter dient als Offizier dem Hause Österreich.

 

 Von Andlaws ruhige Beamtenlaufbahn wird im Jahre 1792 jäh unterbrochen, als die französische Revolution auf das Fürstbistum Basel übergreift. Vergeblich kämpfen die angeforderten österreichischen Truppen gegen die revolutionären Franzosen. Die rufen zunächst die Raurachische Republik aus. Anschließend annektiert Frankreich das Gebiet als Departement MontTerrible. Konrads Vater überlebt diesen Schock nicht. Der Sohn flüchtet zunächst nach Konstanz auf der Suche nach einer Anstellung. Wenig später geht er in die vorderösterreichischen Lande nach Freiburg. Hier macht er sich um die Stadt verdient, indem er sich 1796 unter Stadtrat Caluri aktiv an der freiwilligen Bürgerwehr beteiligt. Zu den Kämpfern gegen die französischen Revolutionstruppen gehört ebenfalls der Student Karl von Rotteck, doch auch sein Einsatz kann die Einnahme Freiburgs nicht verhindern. Im Jahre 1798 heiratet von Andlaw die Tochter des habsburgtreuen Regierungsrats Freiherr von Schackmin und Erbin von Hugstetten, Sophie von Schackmin und erwirbt somit einen soliden finanziellen Rückhalt.  

 

 

Napoleon ist an allem Schuld

 

 Von Andlaws weiterer beruflicher Werdegang wird schon bald durch die Folgen der österreichischen Niederlagen gegen Frankreich bestimmt. Als der Befehlshaber des französischen Heeres Napoleon in einem ersten Anlauf zur Neuordnung Europas durch Zusammenführung der oberitalienischen Fürstentümer 1799 die Cisalpinische Republik errichtet, geht auch Herkules III. der Herzog von Modena seiner Besitzungen verlustig.  Als Ersatz wird ihm der Breisgau angeboten. Doch der Herzog ist mit dem Gebietstausch unzufrieden. Erst als er nach der erneuten Niederlage Österreichs im 2. Koalitionskrieg im Frieden von Lunéville 1802 zusätzlich die Ortenau zugesprochen bekommt, tritt er seine neue Herrschaft an. Allerdings übernimmt er sie nicht selbst, sondern setzt seinen Schwiegersohn Ferdinand von Österreich zum Administrator ein. So bleibt der Breisgau de facto und - nach dem plötzlichen Tode des Herzogs 1803 - auch de jure habsburgisch, zumal Ferdinand den bewährten und kaisertreuen 65-jährigen Hermann von Greiffenegg zum Übernahmekommissär und Regierungs-präsidenten bestellt. In seiner Antrittsrede bedauert von Greiffenegg die Trennung der Gebiete von Österreich, betont aber gleichzeitig, dass der Breisgau dem Erzhause Habsburg erhalten bleibt.  

 

Der neue Regierungspräsident betreibt in seiner bekannt energischen Art (Ich, der Regierungschef) unverzüglich die Amtsgeschäfte. Er plant einen Fürstenstaat, in dem der alten landesständigen Vertretung, dem Konsess, nur noch eine untergeordnete Rolle zukommt. Von Greiffenegg bildet eine fünfköpfige Regierung und bestimmt als seinen Stellvertreter Konrad von Andlaw, den er umgehend in heikler Mission zu Talleyrand nach Paris schickt. Von Greiffenegg möchte den österreichischen Klosterbesitz in den Vorlanden vor dem offenen Rachen der aller Welt unnützen Malteser retten.

 

Nicht nur mancher deutsche Fürst, sondern auch der Malteserorden hatte mit der Expansion Frankreichs linksrheinisch herbe Gebietseinbußen hinnehmen müssen. Als Kompensation für die Verluste versucht nun das Großpriorat der Malteser in Heitersheim, die nach der Aufhebung der Klöster und Stifte durch Josef II. noch verbliebenen kirchlichen Einrichtungen des Breisgaus an sich zu reißen. Die Bemühungen des Kapitelkanzlers Albert von Ittner haben die Billigung Außenminister Talleyrands, denn im Jahre 1802 hatten Frankreich und Russland in einem unter Verachtung des Hauses Österreichs zustandegekommenen Entschädigungsplan dem Orden den Zugriff auf die breisgauischen Abteien, Kapitel und Konvente eingeräumt. Deshalb steht von Andlaw in Paris vor einer unlösbaren Aufgabe, denn als Sonderbotschafter Erzherzog Ferdinands kann er gegen den ständig anwesenden Gesandten der Malteser bei Talleyrand und beim russischen Botschafter nichts ausrichten. Um den Erhalt der klösterlichen Einrichtungen zu betreiben, empfiehlt er - allerdings vergeblich - bei seiner Rückkehr dem Erzherzog, ebenfalls einen ständigen Vertreter nach Paris zu schicken.

 

Dieser relative Misserfolg behindert den weiteren Aufstieg von Andlaws nicht. Als von Greiffenegg 1803 in Freiburg eine drei-instanzige Gerichtsbarkeit nach österreichischem Muster einrichtet, beruft er die Freiherren Karl von Baden und Konrad von Andlaw zu Präsidenten der Ersten bzw. Zweiten Instanz des Appellatoriums und Kriminalobergerichts. Daneben behält er von Andlaw als seinen Stellvertreter im Kabinett. Zur Schwächung der Ständevertretung setzt von Greiffenegg bewusst auf den beruflichen Ehrgeiz der beiden jungen Adeligen. Besonders Karl von Baden gerät dabei in Gegensatz zu seinem Vater Anton, dem Präsidenten des Konsess. Karl von Rotteck kritisiert den Dienst der Freiherren für die Regierung Greiffenegg und beschreibt die politischen Spannungen wie folgt: Was sind nun unsere Landstände noch Anderes, als ein Puppenspiel, da drei beständige Assessoren des Consesses als landesfürstliche Beamte alle freien Berathschlagungen, alle patriotischen Entschließungen hintenan halten und Alles ad nutum Greiffeneggs zu leiten bemüht sind. Das billige und rechtmäßige Widerstreben der Gegenpartei des Herrn von Baden hat eine unselige Disharmonie zwischen Regierung und Ständen hervorgerufen, welche sich bei allen, auch den geringfügigsten Anlässen zeigt und alle gemeinnützigen Anstalten vereitelt oder erschwert. So entstand eine ziemlich allgemeine Unzufriedenheit gegen die Regierung oder vielmehr gegen Greiffenegg, indem derselbe der unumschränkte Regent und alles Andere nur sein Creatur ist! Die kriechende, verächtliche Unterwürfigkeit der meisten Regierungsglieder gegen den Chef hat bereits die Satire und das Mitleiden der benachbarten badischen Unterthanen erregt, welche die breisgauischen Beamten nur Kratzfüßler nennen. Die hier kritisierte Anpassungsfähigkeit Konrad von Andlaws, manche nennen es auch Diplomatie, wird bei seinem weiteren Aufstieg noch deutlicher hervortreten.  

 

Neben den Auseinandersetzungen mit der ständischen Vertretung sind die verbleibenden Monate der Regierung Greiffenegg weiterhin gekennzeichnet vom Kampf um den Erhalt des breisgauischen Klosterbesitzes. Hier befindet sich nun Konrad von Andlaw in einer delikaten Position, steht doch sein Bruder der Malteser Philipp Hartmann auf der Gegenseite. Konrad hält loyal zu seinem Chef, auch als dieser von der Verteidigung zum Angriff übergeht. Als der Kanton St. Gallen beschließt, die unter seiner Oberhoheit stehende Abtei in Ebringen aufzugeben, schickt von Greiffenegg von Andlaw vor Ort, um den Klosterbesitz für den Breisgau zu beschlagnahmen.

 

 

Im Dienste des Großherzogs

 

Nach der erneuten Niederlage Österreichs im 3. Koalitionskrieg kommen all diese Querelen im Jahre 1805 zu einem abrupten Ende.  Von Greiffenegg muss erleben, wie am 2. Dezember der von ihm verehrte Franz I. in der Schlacht bei Austerlitz von dem selbsternannte Kaiser der Franzosen vernichtend geschlagen wird. Das Ergebnis dieser Niederlage lässt nicht lange auf sich warten. Schon am 20. Dezember 1805 verfügt Napoleon im Wiener Vertrag: Sa Majesté l'empereur d'Autriche cède et abandonne à son Altesse l'électeur de Bade le Brisgau, l'Ortenau et leur dépendances. Mit der Unterzeichnung der Rheinbundakte ein Jahr später fällt auch das Großpriorat in Heitersheim an das Großherzogtum Baden.  

 

Als der Besitznahmekommisär der Großherzoglichen Regierung aus Karlsruhe Karl Wilhelm Drais Freiherr von Sauerbronn in Freiburg eintrifft, lässt ihm von Greiffenegg in einer feierlichen Note verkünden, es sei unbegreiflich, dass man einem friedsamen Fürsten sein Land gewaltsam ohne Entschädigung entzöge. Aller Protest ist vergeblich. Die modenisch-österreichische Beamtenschaft der neuen Territorien wird aufgefordert, einen Revers zur Pflichterfüllung gegenüber dem badischen Staate zu unterschreiben und anschließend in großherzogliche Dienstverhältnisse übernommen. So auch von Andlaw, der als ehemaliger Präsident der Zweiten Instanz des Appellationsgerichts 1806 zum badischen Hofrichter in Freiburg ernannt wird. Einzig von Greiffenegg lehnt ab, den neuen Herren zu dienen, und wird seines Amtes enthoben. So bleibt dem treuen Diener Erzherzog Ferdinands die Pein erspart, wie von seinem Herrn vorgesehen, den Breisgau an Baden zu übergeben. Statt seiner wird der anpassungsfähige von Andlaw zum amtierenden Regierungspräsidenten und Übergabekommissar bestimmt. Deprimiert zieht sich der 68-jährige von Greiffenegg in seinen Altersruhesitz Quieti Sacrum  (Heiligtum der Ruhe) auf dem Schlossberg zurück, wo er zwei Jahre später als gebrochener Mann stirbt.  

 

Die Übergabe des Breisgaus an Baden wäre beinahe gescheitert, wie Julius Rathgeber im Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts anschaulich berichtet: Es wurde ihm [von Andlaw] zugleich der ehrenvolle Auftrag zu Theil, im Namen und Auftrag der Herzogs von Modena dem großherzoglichen-badischen Commissar von Drais die Stadt Freiburg und die Landschaft zu übergeben. Bereits waren alle nöthigen Anordnungen zu dieser feierlichen Uebergabe getroffen, als in der Nacht zuvor (14. - 15. April 1806) der Baron von Andlaw durch eine aus Straßburg eingetroffene Depesche nicht wenig überrascht wurde. Er las in derselben zu seinem nicht geringen Erstaunen den vom Kaiser Napoleon ertheilten Befehl, den Breisgau vorerst an Baden nicht abzutreten, da man sich in Paris eine anderweitigen Bestimmung über die vorderösterreichischen Besitzungen vorbehalten habe. Die Verlegenheit der beiden landesherrlichen Commissare war groß; nach langer gemeinsamer Berathung kamen sie endlich überein, um jede politische Verwicklung zu vermeiden, den Akt der Uebergabe, wie er ursprünglich festgesetzt war, sofort in Vollzug zu setzen und der Depesche mit einer vollendeten Thatsache gegenüber zu treten. Die geschah denn auch am 15. April und von dem entgegengesetzten Befehle, der wohl in der Eile ausgefertigt und vergessen worden, war weiter keine Rede mehr [Rath87].

 

 Bei der Übergabe hält von Drais seine berühmte Ansprache, in der er Napoleon und Großherzog Karl Friedrich rühmt, worauf von Andlaw und Bürgermeister Adrians mit kurzen Dankesreden antworten, worin der Ahnen des neuen Landesfürsten, der glorreichen Zäringer Herzoge, als der Begründer des Stadtwesens von Freiburg, in schmeichelhafter Anspielung gedacht ward.  Sofort begab sich die ganze Versammlung in's Münster, wo zuerst durch Knaben und Mädchen ein Lied, von Jacobi gedichtet, vorgetragen und alsdann ein feierliches Tedeum gesungen wurde, welches der Prälat von Sanct=Blasien intonirte. Beim anschließenden Festmahl für Regierung, Adel, Geistlichkeit und Professoren platzierte man vorsichtshalber geistliche Moderatoren zwischen die Gegner von einst, so Abt Speckle von St. Peter zwischen die Brüder Konrad und Philipp Hartmann von Andlaw und den Fürstabt von St. Blasien zwischen Drais von Sauerbronn und Anton von Baden.  

 

Von der Unterschlagung der Straßburger Depesche ist später glücklicherweise keine Rede mehr. So verleiht Großherzog Karl Friedrich von Andlaw nicht nur das Großkreuz des badischen Hausordens der Treue, sondern vertraut dem geschickten Verhandlungsführer unter Beibehaltung der Hofrichterstelle in Freiburg anschließend wichtige diplomatische Missionen an. So zum Beispiel bei der Grenzziehung zwischen dem Großherzogtum Baden und dem Königreich Württemberg, als von Andlaw beim Kontakt mit dem französischen Bevollmächtigten General Henry Clarke seine guten Sprachkenntnisse ausspielt..

 

 

 Gründungsmitglied der Freiburger Lesegesellschaft

 

 Im Dezember 1806 regt von Drais als ein edles Bedürfnis des Geistes in Freiburg die Gründung einer Lesegesellschaft an, zu deren Mitgliedern intellektuell und politisch führende Persönlichkeiten Freiburgs gehören. Neben von Andlaw sind dies Oberbürgermeister Johann Joseph Adrians, der vom Präsidenten der Ersten Instanz des Appellationsgerichts zum Stadtdirektor mutierte Freiherr Karl von Baden, der Chirurgieprofessor Alexander Ecker, der Verleger Bartholomäus Herder, der Altphilologe und Theologe Leonard Hug, der eben noch Kapitelkanzler des Malteserordens und spätere Curator der Universität Joseph Albert von Ittner, der Dichter Johann Georg Jacobi, der Historiker Karl von Rotteck, der Juraprofessor und Hofrat Johann Kaspar Ruef und später auch der Staatsrechtler Karl Theodor Welcker. Von Drais wird der erste Präsident einer Gesellschaft, die alte und neue Freunde, sowie ehemalige politische Gegner vereint. Unter den Gründern finden sich Mitglieder beider Konfessionen, und so darf man annehmen, dass von Drais die Lesegesellschaft auch als ein Mittel versteht, den überwiegend protestantischen Norden Badens mit dem weitgehend katholischen Süden, wie Jacobi es ausdrückt, zu vermählen.

 

Wie überall im besetzten Deutschland arrangiert man sich auch in der Lesegesellschaft mit den politischen Verhältnissen. Mitglied Ruef schreibt 1806:  Gegenwärtig, da wir - Unterthanen einer ebenso milden wie gerechten Regierung - einem allgemeinen Frieden entgegenharren ... und als man überhaupt das humane Benehmen der großherzoglichen Kommissäre sah, verloren sich die mißstimmigen Besorgnisse und Vorurteile und man erkannte zuletzt, daß dem Breisgau der Verlust eines guten Fürsten durch den besten ersetzt worden sei. Auf einen allgemeinen Frieden mussten die Unterthanen allerdings noch acht Jahre warten und zu dieser Zeit hätten viele Breisgauer den besten Fürsten gern wieder gegen den guten Kaiser Franz getauscht.

 

Im Jahre 1808 erwirbt von Andlaw die säkularisierten Klosteranlagen von St. Trudbert, um sie wieder kirchlichen oder sozialen Zwecken zuzuführen. Im gleichen Jahr wird von Drais zum Oberhofrichter am höchsten Gerichtshof Badens in Bruchsal bestellt. Er empfiehlt, aufs Wohl der Gesellschaft bedacht, auch gleich einen Nachfolger in der Person des Hofrichters Konrad Freiherr von Andlaw. Doch auch der kann sich der Präsidentschaft nur kurz erfreuen. Man benötigt sein diplomatisches Geschick in Karlsruhe, als es nach dem Einfall Österreichs in Bayern 1809 zum 5. Koalitionskrieg kommt. Neuer Präsident der Lesegesellschaft wird Stadtdirektor Karl von Baden.

 

 In Wien hatte man in den Erhebungen gegen die napoleonische Herrschaft in Spanien die Chance zur Eröffnung einer zweiten Front gesehen und den Aufstand gewagt. Jetzt steht Baden zusammen mit den anderen  Rheinbundstaaten in der Bündnispflicht gegen den Angreifer, doch besonders im Breisgau ist ein Krieg gegen Habsburg unpopulär. Viele Bürger drücken sich vor dem Militärdienst, ja einige Studenten ziehen es vor, nach Innsbruck zu gehen, um unter Andreas Hofer den Freiheitskampf der Tiroler gegen das napoleonische Joch zu unterstutzen.  

 

Großherzog Karl Friedrich setzt auf das diplomatische Geschick von Andlaws, als er ihn zu Napoleon sendet und ihn dreist fragen lässt, wie viel Geländegewinn für Badens Beteiligung am Krieg gegen Österreich wohl zu erwarten sei. Anschließend (1809) begleitet von Andlaw die badischen Truppen als Civilkommisär nach Wien und geht dann als außerordentlicher badischer Gesandter nach Paris. Hier erreicht er gegen den Einspruch Württembergs, dass die Grafschaft Nellenburg Baden zugesprochen wird. Je mehr Napoleons Unzufriedenheit mit der Karlsruher Regierung zunimmt, umso mehr schätzt der Kaiser von Andlaw. Nach Ansicht Napoleons behandelt Baden die Katholiken in den neuen Territorien wie Heloten. Man munkelt sogar, von Andlaw solle französischer Gouverneur in einem von Baden abgetrennten Breisgau werden. Immerhin setzt der Kaiser durch, dass sein Günstling 1811 nach einer Kabinettsumbildung in Karlsruhe zum großherzoglichen Innenminister avanciert. Doch von Andlaw behagt dieser exponierte Posten gar nicht, und so zieht er sich 1813 auf eigenen Wunsch auf seine Stelle als Hofrichter in Freiburg zurück.

 

 

Die Mitglieder der Museumsgesellschaft zwischen Habsburg und Baden

 

 Sicherlich sind die damaligen militärischen und politischen Entwicklungen nicht spurlos an der Lesegesellschaft, die sich 1810 in Museumsgesellschaft umbenennt, vorbeigegangen. Allerdings scheinen 1907 in den Aufzeichnungen des Chronisten zum 100-jährigen Jubiläum der Gesellschaft Unstimmigkeiten nur wenig durch. Vor hundert Jahren mahnte sogar die Post des gerade einmal 36-jährigen Zweiten Reichs auf ihrer Nord-Süd-Briefmarke: Seid Einig, Einig, Einig. Auch in Baden war damals nicht die Zeit, Differenzen zu betonen, sondern Harmonie zu pflegen.  

 

Wie das von Napoleons Gnaden geschaffene Großherzogtum Baden tut sich auch die Museumsgesellschaft schwer, der französischen Herrschaft abzuschwören und in das Lager der Befreiungsbewegung zu wechseln. Während noch im Oktober 1812 badische Truppen in der Völkerschlacht bei Leipzig auf Seiten Napoleons kämpfen, so bringt zwei Monate später am 25. Dezember eine Versammlung der mehrsten Mitglieder des Museums die Summe von 100 Gulden auf zur Unterstützung des unter Napoleons Kommando im Norden stehenden badischen Militärs. Im Jahre 1814 ist die Wende dann aber vollzogen, als bei einem in Erinnerung an die Völkerschlacht vom Museum veranstalteten Festmahl Professor Ecker durch eine feurige Ansprache die patriotischen Empfindungen der Gesellschaft zum Ausdruck bringt.  

 

Als im Laufe der Befreiungskriege Ende 1813 die Heere der Verbündeten durch Freiburg in Richtung Frankreich marschieren, begrüßt das greise Museumsmitglied Jacobi den Einmarsch der Alliierten mit den Worten: Gern will ich nun sterben, denn ich sterbe als freier Deutscher. Dies Bekenntnis tragen alle mit, doch werden viele persönliche Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Gesellschaft aufs äußerste gespannt, als alte Gefühle und Vorurteile wieder aufbrechen: Wien und das habsburgisch katholische Österreich sind den Freiburgern näher als Karlsruhe und das protestantische Nordbaden.

 

 Von Rotteck schürt das Feuer mit einem anonymen Flugblatt: Heute nachmittags wurde unsere Stadt durch die höchsterfreuliche Ankunft seiner kaiserlichen Majestät ... beglückt ... beym Empfang des menschen-freundlichsten Fürsten: nur freyer Erguß des vollen Stromes der Liebe ... So wie der gute Vater von liebenden Kindern, so wurde Kaiser Franz von seinen ehemaligen Unterthanen empfangen ... Seine Majestät, zu Pferde, mit Huld und sichtbarer Rührung, grüßten wiederholt die Menge.  

 

Dagegen hält sich von Andlaw - ebenfalls ein Anhänger des Hauses Habsburg - nikodemisch bedeckt und zudem mit seiner Meinung diplomatisch klug zurück, während Karl von Baden in einer Audienz beim Kaiser zwar untertänigst aber ganz offen die Rückkehr des Breisgaus an Österreich erbeten haben soll.    

 

 

Als Badener in Dienste Österreichs

 

 Nach ihrem Durchmarsch durch Freiburg überschreiten die verbündeten Truppen gegen Napoleon im Januar 1814 den Rhein. Beim Aufenthalt des alliierten Führungsstabes in Freiburg wohnt Zar Alexander I. während 14 Tagen im von Andlawschen Hause. In dieser Zeit lernt Konrad auch seinen Vetter Klemenz, den österreichischen Staatskanzler Fürst von Metternich, näher kennen. Von Andlaws Frau Sophie eine bekennende Habsburgerin hält Metternich für so falsch, wie es seinem Posten anklebt. Der Staatskanzler schlägt seinem diplomatischen Vetter vor, ihn auf dem Frankreichfeldzug zu begleiten und nimmt ihn auch gleich in österreichische Dienste. In der Folge ernennt er von Andlaw zum Generalgouverneur der Freigrafschaft Burgund (Franche-Comté) und des Fürstentums Pruntrut (Porentruy) mit Sitz in Vesoul.

 

Nachdem die Freiburger vergeblich gehofft hatten, der Kaiser werde auf dem Rückweg von Paris nach Wien wieder in ihrer Stadt Station machen, wird aus der Begeisterung für Österreich Hochverrat, als Anfang Juni 1814 Bürgermeister Adrians und fünf weitere städtische Abgeordnete nach Basel fahren, um den dort durchreisenden Franz I. untertänigst um die Wiedervereinigung Freiburgs und des Breisgaus mit Österreich zu bitten. In ihrem Gepäck haben sie ein vom gesamten Stadtrat und den zwölf Zunftmeistern unterzeichnete unverfängliche Einladung zu einem kaiserlichen Besuch. Auch einige andere bedeutende Freiburger begeben sich privat nach Basel, um dem Monarchen ihre Aufwartung zu machen. Unter den Teilnehmern finden sich die Museumsmitglieder von Baden und Ecker.

 

 Nach ihrer Rückkehr berichtet die offizielle Delegation von der huldvoll gewährten Audienz, in der sich Kaiser Franz ohne weitere Veranlassung geäußert hätte, dass er das Breisgau wohl wieder an sich ziehen würde, was aber erst in zwei bis drei Monaten geschehen könne (der Wiener Kongress trat erst im September zusammen), da jedem Abtretenden eine Entschädigung müsse ausgemittelt und gegeben werden. Man möge unterdessen für Ruhe, Ordnung, Unterwürfigkeit sorgen und alle voreilige Spektakel verhüten.

 

In Karlsruhe schaut man wie gelähmt auf dieses Treiben. Baden, das von allen deutschen Staaten am längsten zu Napoleon gehalten hatte, kann es sich nicht leisten, sich mit Österreich anzulegen. Als Bürgermeister Andrians wegen seines Besuchs bei Franz I. zur Rede gestellt wird, meint er: Der Stadtrat könne, ohne zuvor eine Zustimmung aus Karlsruhe einzuholen, sehr wohl den Kaiser zu einem Besuch nach Freiburg einladen. Auch wenn dem Großherzog im Abschlussbericht über all die hochverräterlichen Vorgänge empfohlen wird, bis nach den endgültigen Entscheidungen des Wiener Kongresses von Maßnahmen gegen die Beteiligten abzusehen, schickt er einige Herren vorzeitig und mit den entsprechend geringen Bezügen aus ihrer vorderösterreichischen Dienstzeit in Pension, so auch Karl von Baden.

 

Nach dem ersten Frieden von Paris 1814, in dem Frankreich seine vornapoleonischen Territorien behalten darf, treffen sich die Vettern Konrad und Klemenz noch einmal. Bei dieser Gelegenheit fragt von Andlaw Metternich beiläufig, ob seine Heimat, das ehemalige Fürstbischöflich Baselsche Gebiet, ebenfalls unter jenen Landstrecken mitbegriffen sei, welche an Frankreich zurückgegeben werden sollten. Über die Folgen berichtet der Chronist: Die betreffenden Friedensparagraphen wurden nachgeschlagen, und da in denselben jenes ursprünglich deutsche Reichsland nicht ausdrücklich erwähnt war, so erhielt von Andlaw den Befehl, es ferner provisorisch, im Namen der alliirten Mächte zu verwalten, bis auf dem Wiener Congresse über dessen künftiges Geschick entschieden sein würde. All dies geschah nicht ohne Einsprache Frankreichs, die jedoch unberücksichtigt blieb und von Andlaw stand der Administration seines Geburtslandes noch bis zum Jahre 1817 vor, in welcher Zeit es, den Bestimmungen der Wiener Schlußacte gemäß, den Kantonen Bern und Basel übergab. Schließlich kauft von Andlaw das in den Kriegswirren zerstörte Schloss Birseck oberhalb des Städtchens Arlesheim zurück und lässt mit großem Eifer auch seitens seiner Frau Sophie die Ermitage wiederherstellen mit der sinnigen Inschrift: Post fata resurgo (Nach dem Unheil erstehe ich wieder). Dieses für die Schweiz einzigartige finanzielle und kulturelle Engagement des Ehepaars von Andlaw ist in Arlesheim noch heute in guter Erinnerung und wird entsprechend gewürdigt.  

 

Im Pariser Abkommen vom November 1815 hatten Österreich, Russland, England und Preußen über das Schicksal des Breisgaus endgültig entschieden.  Während einer anschließenden Audienz bei Franz I. lädt von Andlaw den Kaiser zum Besuch Freiburgs ein. Über die Reaktion des Monarchen berichtet der durch die Aufhebung des Klosters St. Peter zwangspensionierte Abt Ignaz Speckle: Der Kaiser sagte, er brächte es nicht über das Herz, seine alten getreuen Untertanen zu sehen, ohne ihnen den Trost bringen zu können, nach dem sie so verlangten. Er habe alles getan, um das Land wieder zu bekommen, es sei aber nicht möglich gewesen. Salzburg, Hausruck- und Innviertel kämen wieder zur Monarchie, aber die Vorlande und der Breisgau seien verloren. Als von Andlaw seiner Frau über die Audienz berichtet, sagt sie: Ich wußte, daß unser Todesurteil gesprochen war.

 

 

Zurück in Freiburg

 

Im Jahre 1817 nimmt von Andlaw seine Hofrichterstelle in Freiburg wieder ein. Die Museumsgesellschaft hat inzwischen 168 Mitglieder und Karl von Rotteck ist jetzt ihr Präsident. Die vom Verleger Bartholomä Herder angemieteten Räume sind zu klein, und so betreibt das Direktorium mit Eifer den Erwerb eines eigenen schicklichen Gebäudes. Obgleich eine deutliche Mehrheit den Ankauf des Hauses Alter Schnecken am Münsterplatz für 16000 Gulden befürwortet, ist es mit der Harmonie in der Gesellschaft vorbei. Weil ihnen die Ankaufsoperation nicht behagt, treten im Juni 1817 mindestens 38 Museumsmitglieder darunter von Andlaw, Ecker und von Ittner aus und gründen eine neue Vereinigung, die sie sinnigerweise Harmonie nennen. Die Trennung ist allerdings nicht von Dauer, denn schon 1820 kehren die Abtrünnigen in den Schoß der Museumsgesellschaft zurück. Bereits im folgenden Jahre ist alles vergessen und von Andlaw wird nach 1808 im Jahre 1821 zum zweiten Mal zum Präsidenten der Museumsgesellschaft gewählt.  

 

 

 

 

 

 

 

 

Zurück zu Napoleon

Schließlich erfährt von Andlaw als Gegner des Alten Schnecken volle Genugtuung, als er 1823 als Vorsitzender der Baukommission zusammen mit dem Präsidenten der Museumsgesellschaft Baron von Reinach den Grundstein zum einem neuen wirklich repräsentativen spätklassizistischen Gebäude legen darf. Dieser Bau ersetzt das ehemalige im spätgotischen Stil erbaute Bürgerspital zum Heiligen Geist an der Münstergasse und bleibt das Heim der Museumsgesellschaft bis zu jener tragischen Nacht am 27. November 1944, als die 3. Bombergroup der Royal Air Force Freiburgs Altstadt in Schutt und Asche legt.  

 

Die Mitglieder der Museumsgesellschaft müssen von Andlaw sehr geschätzt haben, denn sie wählen ihn nochmals in den Jahren 1825 und 1829 in das Amt des Präsidenten. Die Sitten allerdings hatten sich geändert, denn nun beklagt er sich, dass man im Lesezimmer die politischen Journale eben nur durchblättere und daß man mehr Genuß habe an Spiel, Tanz und Tonkunst als am Austragen politischer Meinungen [Haum01]. Zur Ehrenrettung der Mitglieder des Museums lässt sich anführen: Es sind die Jahre der politischen Repression und Pressezensur, und so wird es nichts politisch Interessantes zu lesen gegeben haben.  

 

Der inzwischen 60-Jährige verbringt viel Zeit in seinem Schloss in Hugstetten und beschließt 1827 einen schönen Park anzulegen. Deshalb ließ er die angrenzenden Bauernhäuser abreißen, um genügend Platz zu schaffen. Dabei musste auch das Gasthaus "Rössle" weichen. Als Ersatz ließ Andlaw ein Stück weiter ein neues Wirtshaus bauen, das - in Anlehnung an das Andlawsche Wappen- den Namen "Zum roten Kreuz" erhielt. Andlaw ließ einen künstlichen See und einen Kanal anlegen. Westlich dieses Kanals, am Mühlenberg, wurde ein naturnaher Landschaftsgarten angelegt - der "Englische Garten". Dabei folgte der Freiherr dem Vorbild des Parks im schweizerischen Arlesheim, dem vorherigen Sitz der Andlaw-Birsecks [Badi05].

 

Im Jahre 1837 tritt er als Hofrichter mit 71! Jahren in den Ruhestand. Zwei Jahre später schließt Konrad von Andlaw nach einem erfüllten Leben für immer seine Augen.

 

This page was last updated on 24 August, 2018